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Gedanken zum 2. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) von Stadtpfarrer Franz Reitinger


Der Alltag hat uns wieder - seit mindestens einer Woche. Auch in der Kirche ist nach dem Ende der Weihnachtszeit der Alltag wieder eingekehrt, deutlich sichtbar in der liturgischen Farbe „grün“. Nur Krippe und Christbaum begleiten uns noch bis zum Fest der Darstellung des Herrn, besser bekannt unter dem alten Namen „Mariä Lichtmess“.

Und zum Alltag passt auch das heutige Evangelium. Es setzt aber gleich zu Beginn einen Hoffnungsakzent, der wie ein Vorzeichen in der Musik oder in der Mathematik all unserem alltäglichen Leben Entscheidendes zu sagen hat.

Doch was ist dieses Vorzeichen der Hoffnung über unserem Alltag?

Der Evangelist Johannes erzählt von einer Hochzeit, zu der Jesus mit seiner Mutter und seinen Jüngern eingeladen ist. Dabei ist eine Hochzeit natürlich alles andere als Alltag. Doch selbst bei einer Hochzeit kann ein ganz alltäglicher Fehler passieren. In diesem Fall ist es die Peinlichkeit, dass das Braut-paar den Durst seiner Gäste unterschätzt hat. Gerade bei einer orientalischen Hochzeit, die über eine Woche gefeiert wird, kann das schon mal passieren. Aber dieser peinliche Fauxpas ist ja – Gott sei Dank – nicht die Kernaussage des heutigen Evangeliums.

Doch was ist nun dieses Vorzeichen der Hoffnung, das in diesem Evangelium vorkommen soll? Was ist die eigentliche Sensation in dieser Schilderung des Weinwunders von Kana?

Ich meine, dass nicht einmal das rettende Eingreifen Jesu der überraschende Moment dieser ganzen Geschichte ist.

Klar: Für den Evangelisten Johannes ist dieses Wunder das erste Zeichen Jesu, wie er es nennt. Für ihn läuft alles auf die theologische Aussage zu, wer dieser Jesus ist und woher er kommt. Für ihn ist das Weinwunder ein sprechendes Zeichen dafür, dass Jesus von jetzt an auf dem Weg ist, sich als Messias und Sohn Gottes aller Welt zu offenbaren. Und das geschieht in aller Klarheit bei seiner Erhöhung am Kreuz. In seinem Tod und seiner Auferstehung wird offenbar, dass er der Messias und Sohn Gottes ist, der Retter und Erlöser.

Doch die eigentliche Sensation, das wirklich Überraschende des heutigen Evangeliums findet sich in einer Nebensache. Und genau diese Nebensache stimmt ein Loblied an auf alles Alltägliche.

Denn welche Gegenstände spielen die unvermutete Hauptrolle bei diesem Weinwunder? Es sind nicht die vornehmen Weinkrüge. Es sind die für rituelle Zwecke vorgesehenen Wasserkrüge. Es sind die ganz banalen, schnörkellosen, für alltägliche Zwecke gebrauchten Wasserkrüge, in denen am Ende der viel bessere Wein zu finden ist.

Und genau das, liebe Mitchristen, gilt auch für unseren Alltag, für unser alltägliches Leben als glaubende und immer wieder auch zweifelnde Christen. Denn die größten Zeichen der Gegenwart Christi, die sein Heiliger Geist unter uns wirkt, die größten Zeichen der lebendigen Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Herrn ereignen sich nicht unbedingt, sie ereignen sich nicht bevorzugt und vor allem nicht ausschließlich an den Hochfesten Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Der Alltag hat es in sich! In den Wasserkrügen des All-tags findet sich oft ganz unvermutet der beste Wein des hochzeitlichen Mahles, zu dem Christus uns schon jetzt und hier einlädt.

Mit anderen Worten heißt das: Wenn wir uns in unserem Alltag so verhalten wie die Diener bei der Hochzeit zu Kana, die den Tipp der Mutter Jesu beachten, nämlich das zu tun, was Jesus ihnen sagt, wenn wir hellhörig dafür bleiben und immer hell-höriger dafür werden, was er uns jeden Tag neu sagen möchte – durch sein Evangelium, in den Zeichen der Zeit, in all dem, was unser alltägliches Leben an versteckten Botschaft des Menschensohnes für uns bereit hält, wenn wir also lernen, im Alltag auf ihn zu hören, aus dem Alltag sein Wort an uns herauszulesen, dann ereignen sich genau da die größten Zeichen und Wunder seiner schon begonnenen Neuen Welt, seiner schon angebrochenen Gottesherrschaft.

Das heutige Evangelium singt also ein Loblied auf den Alltag. Es ist ein Stück „Schwarzbrotspiritualität“, auch wenn es von einer Hochzeit erzählt.

Und wenn Sie, liebe Mitchristen, nicht nur heute, wenn Sie sich schon lange fragen, wie das geht, im Alltag auf Gottes Wort zu hören, wie das geht, das alltägliche Leben auf Gottes Wort hin abzuklopfen, dann empfehle ich Ihnen, doch einmal den Mut zu haben, an Exerzitien im Alltag teilzunehmen, zum Beispiel an den Exerzitien im Alltag, die wir in der Fastenzeit wieder anbieten – mit ganz normalen Treffen zum Austausch oder auch bei Videokonferenzen, falls die Corona-Situation etwas anderes nicht zulässt.

Die wöchentliche Begleitung an einem Abend der Woche wird ihnen gut tun – und erst recht die halbe Stunde Gebetszeit pro Tag, in der Sie genau das lernen oder auch wieder neu einüben, was die Diener im heutigen Evangelium so selbstverständlich tun.

Auch Sie und Sie, auch Du und ich, auch wir können uns ausbilden lassen, zu „Wasserauffüllern“ für den Herrn zu werden, der seine Dienerinnen und Diener wie damals in Kana ganz unvermittelt und unter der Hand zu Kellermeistern seines göttlichen Weinkellers macht. Ja, auch mitten in der Pandemie ist es möglich, einen Vorgeschmack zu bekommen auf das himmlische Hochzeitsmahl des Auferstandenen.

 Text und Foto: Stadtpfarrer Franz Reitinger, Deggendorf St. Martin

 

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