Um die Kirche steht es schlecht. So viele Unklarheiten, so viele patriarchale Strukturen, Missbrauch, Vertuschung, unguter Umgang mit Homosexualität und anderes mehr. Nicht wenige haben das Gefühl, die Kirche, die ihnen Heimat war, bricht aus ihrem Leben weg. Heimat zu verlieren aber ist schmerzhaft.
Auch Jesus ist im Evangelium vom heutigen Sonntag dabei, seine Heimat zu verlieren. Nicht nur wird kein Prophet in seiner Heimat anerkannt, wie er im heutigen Evangelium sagt. Noch dazu provoziert Jesus die Menschen seiner Heimat. Denn er weist auf Ereignisse hin, bei denen sich Gott nicht als Gott der Juden erwiesen hat, sondern als Gott von Fremden - beispielsweise eines Syrers. Der wurde vom Aussatz geheilt, nicht die Kranken Israels. Provokationen, die die Menschen seiner Heimat verärgern und fast zur Lynchung Jesu führen. Doch der schreitet mitten durch die Menschenmenge und geht weg, wie in dieser Stelle aus dem Lukasevangelium zu lesen ist. Die Provokation Jesu ist die Aussage: Gott ist nicht exklusiv der Gott Israels. Der Gott Israels ist genauso der Gott der Fremden. Damit stellt er das Heimatbewusstsein vieler seiner Landsleute in Frage: Mein Land, mein Gott, meine Heimat.
Doch Jesus war kein heimatloser Geselle. Für ihn waren es aber Menschen, die Heimat bedeuteten: seine Mutter Maria, der Zwölferkreis mit ihren Familien, seine Jünger. Und in allem natürlich der himmlische Vater aller Menschen. Heimat sind für ihn Menschen und die Beziehungen zwischen Menschen und keine Orte. “Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ Jesus nimmt keinen Ort in Beschlag - im realen wie im übertragenen Sinn. Heimat kann man daher auch nicht besitzen, so wie man Gott nicht besitzen kann. Exklusivrechte auf Heimat erheben Faschisten, nicht Christen.
Was also zerstören die kirchlichen Skandale im Moment, wenn sie Heimat zerstören:
- sie zerstören, wenn die Amtsträger nicht umsteuern, das Wichtigste: das
Vertrauen in Beziehungen innerhalb kirchlicher Strukturen.
- sie zerstören aber auch einen falschen Begriff von Kirche, der ruhig zerstört werden darf: Kirche als feste Burg, als Haus voll Glorie. Kirche ist
kein solcher Ort und war es dort, wo sie lebendig war, nie. Kirche war vielmehr immer das Volk der Menschen, das tastend seinen Weg sucht und Heimat im Miteinander von Menschen und Menschen und Gott findet.
Wir suchen - letzten Endes vergeblich - auch in der Familie, im Freundeskreis, in Beziehungen einen sicheren Ort. Wir suchen Heimat im festen Sinn. Und es tut weh, wenn wir merken, wie zerbrechlich diese Orte sind. Es tut weh, wenn wir merken, dass wir sie nicht besitzen können. Wenn Kinder sich abwenden, Beziehungen zerbrechen, uns Freunde nicht mehr verstehen. Uns bleibt auch hier nur: sich gemeinsam auf den Weg machen - auch wenn die Wege unbekannt, rätselhaft und fremd sind. Heimat werden wir wirklich nur in Bewegung und Begegnung finden. Vielleicht kann die Kirche jetzt ein besserer Partner auf diesem Weg sein, wo doch ihre letzten Mauern zerbröseln.
Diakon Sebastian Nüßl
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