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Markante Persönlichkeiten - Gedanken zum Sonntag, 6. Februar 2022 von Pfarrer Franz Reitinger

 


Drei markante Persönlichkeiten werden uns heute in den Schriftlesungen vor Augen geführt, drei Glaubenszeugen, ohne die das Christentum nicht denkbar wäre: Jesus, Paulus und Jesaja.

Die wichtigste Persönlichkeit für uns ist natürlich Jesus. Wir hören heute von Jesus, dem Herrn und Meister, der die Fischer am See Gennesaret sozusagen in seine Lehre nimmt, in seine Lehre als Fischer und mehr noch als Menschenfischer. Und das für professionelle Fischer Unglaubliche geschieht. Auf sein Wort hin fangen sie sogar untertags eine so große Menge an Fischen, wie es selbst in der Nacht nicht normal wäre.

Jesus, eine markante Persönlichkeit, der göttliche Autorität besitzt und von dem eine ungemein große Faszination ausgeht. Aus seiner Idee, das Zwölf-Stämme-Volk Israel wieder zu sammeln, entstand eine neue Religion, die nicht nur aus Gewohnheit 2000 Jahre überlebt hat – trotz aller Krisen und Katastrophen. Nein, es war immer wieder neu die Person und die Botschaft dieses Mannes aus Nazareth, die Menschen überzeugend menschlich angesprochen und mit göttlicher Vollmacht in seine Nachfolge gezogen hat.

Und diese Mischung aus freier Entscheidung und einer ungeheuer großen Sogwirkung, die alle gespürt haben, die sich von Jesus Christus gerufen und berufen fühlten, finden wir im Neuen Testament genauso wie heute. Simon Petrus fällt Jesus zu Füßen und seine Begleiter sind erstaunt und erschrocken, wie wir im Evangelium gehört haben. Und zum Schluss heißt es nur noch lapidar: „Sie zogen die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten ihm nach.“

Und ähnlich ergeht es Paulus, „dem Unerwarteten, der Missgeburt“, wie er sich selbst bezeichnet, weil ihm der Kapitalfehler seines Lebens immer noch schmerzlich vor Augen steht. Die Anhänger Jesu hat er voll Eifer verfolgt, weil er als geschulter Pharisäer meinte, dass genau das seine Pflicht als frommer Jude sei. Der auferstandene Christus musste ihm in Macht und Herrlichkeit begegnen, er musste ihn sozusagen zu seinem Glück und zu seiner eigentlichen Berufung zwingen.

Doch diese Christusbegegnung gibt Paulus ein ganz neues, ein unerschütterliches Selbstbewusstsein, obwohl ihn dieses Erlebnis zuerst einmal aus dem Sattel geworfen und von seinem hohen Ross herunter geholt hat. Und noch etwas anderes muss man über diese Lesung aus dem Ersten Korintherbrief sagen: Man kann sie ohne Übertreibung als das wichtigste Osterzeugnis des ganzen Neuen Testamentes bezeichnen – wichtiger als alle Osterevangelien, weil Paulus hier ein sehr altes Glaubensbekenntnis zitiert und weil er der einzige Osterzeuge ist, den wir durch seine eigenen Schriften kennen und dessen Person man sich relativ gut vorstellen kann.

Paulus – eine kantige Autorität, der wie kein anderer dafür gesorgt hat, die Botschaft von Jesus, dem Christus, auch den Nicht-Juden zu verkünden, ohne sie darauf zu verpflichten, alle einzelnen Vorschriften des mosaischen Gesetzes einzuhalten. Paulus – ein Dickschädel ohne Angst vor Autoritäten und Machthabern, der für die Freiheit des Christen genauso kämpft wie für den als richtig erkannten Kern des Christusglaubens, der aber genauso freimütig bekennt, dass er ohne Gott nichts wäre und erst die Gnade Gottes ihn zu dem gemacht hat, der er ist.

Und ganz ähnlich kann man einen Propheten wie Jesaja charakterisieren. Doch das ist beileibe kein Zufall. Denn sowohl Jesus als auch Paulus stehen fest verwurzelt in der Tradition der Propheten des Ersten Testamentes. Und Jesaja, besser gesagt die Propheten, die im Jesajabuch vorgestellt werden, gehören zu den wichtigsten Propheten des Alten bzw. Ersten Testaments.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum die heutige Lesung aus dem Propheten Jesaja nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Denn in der Berufungsgeschichte des Jesaja wird etwas Typisches erzählt, das bei jeder intensiven Gotteserfahrung vorkommt. Jesaja erfährt Gottes Nähe. Er fühlt sich gerufen und angesprochen von Gott – so deutlich, dass er ihm nicht ausweichen kann, aber gleichzeitig erschrickt er auch zutiefst vor der lebendigen Gegenwart Gottes. Er fühlt sich sozusagen durchleuchtet von Gottes Liebe und er erkennt umso deutlicher seine Fehler und Unvollkommenheiten: „Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen ... und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere gesehen.“

Und dann erzählt die Lesung die schöne Episode, wie Gottes Engel mit einer glühenden Kohle die unreinen Lippen des Propheten reinigt. Und auf die neuerliche Frage „Wen soll ich senden?“ willigt Jesaja ein: „Hier bin ich, sende mich!“

Drei markante Persönlichkeiten in den heutigen Schriftlesungen. Bei den Stichworten „Person“ und „Persönlichkeit“ aber müssen wir das lateinische Wort „persona“ vor Augen haben. Denn dieses Wort hat zu tun mit per-sonare, das wörtlich übersetzt nichts anderes bedeutet als „durch-tönen“. Gott will auch uns und unser Person-sein „durch-tönen“, er will auch uns in seinen Dienst rufen – jede und jeden auf ganz eigene Weise. Und „durch-tönt“ von Ihm, dem Ewigen, können wir erst zu den Persönlichkeiten heranreifen, die Gott schon längst in uns entdeckt hat.

Verschließen wir also nicht unser Herz, wenn er uns ruft, damit er uns nicht erst vom hohen Ross unserer eigenmächtigen und selbstsüchtigen Pläne herunter holen muss, vom hohen Ross, das noch immer in die falsche Richtung gelaufen ist.

Stadtpfarrer Franz Reitinger, Deggendorf St. Martin

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