Über den Wert von Worten, Corona-Querdenkern und den Mut zu spalten - zum 2. Sonntag nach Weihnachten 2022 von Diakon Sebastian Nüßl
Ein letzter Rückblick auf das vergangene Jahr: es war ein Jahr der Sprachzerstörung. Vor allem in den sozialen Medien, aber auch in persönlichen Gesprächen. Gottseidank kaum in den Zeitungen und im öffentlich-rechtlichen Bereich. Aber ansonsten wurde hemmungslos beleidigt und bedroht, gelogen und verdreht. Arrogant und besserwisserisch „quer gedacht“. Die Sprache verkam immer mehr. Was sich vor einem Jahr noch niemand an der Kopf geworfen hätte - jetzt ist es möglich. Man konnte sich raushalten aus diesem Prozess der fortschreitenden Verkommenheit im Sprechen - aber ganz ging er an niemandem vorüber.
Für Christen ist diese Entwicklung schlichtweg katastrophal. Denn sie ist ein Angriff auf Gott selbst. Wer die Sprache mißbraucht, verletzt Gott. Denn Gott ist das Wort. Mit dieser Aussage beginnt das Johannesevangelium. Am Weihnachtstag und am 2. Sonntag nach Weihnachten - also dieses Jahr am 2. Januar - wird diese Stelle verlesen. Die Wiederholung zeigt, wie wichtig sie ist.
„Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Gott begegnet uns Menschen ausschließlich in der Welt der Worte. Aber hier wirkmächtig und nah. Worte sind es, die aus Dingen Zeichen machen. Worte sind es, die aus Sehnsucht Gebete machen. Worte sind es, die aus dem anderen Menschen Mitmenschen machen.
- aus Dingen Zeichen: das geschieht etwa in der Eucharistiefeier, wenn aus Brot und Wein Christus selbst wird, gegenwärtig in der Gemeinschaft der Feiernden. Fleisch und Blut als Zeichen der Gemeinschaft.
- aus Sehnsucht Gebete: Sehnsucht bleibt bei uns. Gebete führen uns von uns weg zu dem hin, der uns umfasst. Gebete richten uns aus und Gebete werden gehört.
- aus Menschen Mitmenschen: das Gespräch vermag es: aus Feinden Freunde machen, aus Fremden Nachbarn, aus Unbekannten Bekannte.
Niemand sollte Worte unterschätzen, denn sie können niederwerfen oder aufrichten, krank machen oder heilen, ja sogar töten oder Leben einhauchen. Seien wir also vorsichtig mit unseren Worten.
Und hören wir damit auf, jedes Wort, jeden Gesprächsbeitrag, jedes Posting unterschiedslos zu akzeptieren. Wir brauchen die Fähigkeit zu spalten. Das beginnt im kleinen, wenn ein „Freund“ in Facebook gelöscht oder eine Freundschaft im wirklichen Leben beendet wird. Das geht bis in die Institutionen von Staat und auch Kirche. Denn auch hier müssen unverhandelbare Grenzen markiert werden und rationale Standards aus Gründen und Argumenten verlangt werden können. Man muss nicht jedem zuhören. Sonst gewöhnen wir uns an eine Lautstärke, die die leise Stimme Gottes übertönt.
Diakon Sebastian Nüßl
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