Über die Schlechtigkeit der Welt - Gedanken zum 7. Sonntag der Osterzeit/B von Diakon Sebastian Nüßl
„Die Welt ist schlecht“ ist eine gar nicht so seltene Form von Weltanschauung. Gerhard Polt hat sie mit folgenden Sätzen charakterisiert: „Letztes Jahr haben wir eine Weltreise gemacht - Sie, da fahren wir nicht mehr hin...“. Etwas differenzierter finden wir das selbe Denkmuster bei den sogenannten Querdenkern. Für sie gibt es den tiefen Staat (deep state), der alle Regierungen und eigentlich die ganze Welt fernsteuert. Die Grundeinstellung ist dieselbe: ich und noch ein paar Menschen, wir wären schon in Ordnung - wenn da nicht „die Anderen“ wären, die böse Welt.
Auf den ersten Blick schlägt Jesus im morgigen Sonntagsevangelium nach Johannes in dieselbe Kerbe: Zehnmal kommt die „Welt“ vor und immer negativ. Wir meinen, Jesus nicht wiederzuerkennen. Ihn, der doch will, dass wir „das Leben haben und es in Fülle haben“. Ihn, der bei der Hochzeit zu Kana eine überfließende Menge besten Weines für alle bereitet hat. Ihn, der das Licht der Welt sein will, der gekommen ist, weil Gott die Welt so sehr liebt. Im Johannesevangeliums begegnen wir einem weltoffenen und weltzugewandten Jesus mit einem unermesslichen Vertrauen in die Liebesfähigkeit des Menschen. Und dann das.
Wie sieht nun Jesus die Welt wirklich? Die Antwort: Er sieht sie so, wie sie ist. Er sieht eben auch die Bosheit der Menschen, die ihn letzten Endes ans Kreuz bringt. Er sieht die radikale Verfallenheit an Strukturen des Bösen. Er sieht uns. Denn natürlich lassen wir es wieder und wieder an Liebe fehlen. Und natürlich sind wir - auch ohne persönliche Schuld - in Strukturen des Bösen verwickelt. Ein paar Beispiele: wir freuen uns über den Covid-19-Impftermin, achten aber wenig auf die Millionen Menschen, die beispielsweise in Afrika keine Chance haben, an Impfstoff zu kommen. Oder: Wir fahren Auto, essen Fleisch, bauen Häuser auf einem Niveau, dass wir drei Erden bräuchten, wenn jeder Mensch diese Möglichkeiten nutzen könnte. Verstrickungen, aus denen wir nicht ganz entkommen können. Darauf will Jesus uns aufmerksam machen, wenn er von der bösen Welt spricht. Das Böse ist eine wirkliche Macht in unserer Welt und unserem Leben. Wir können sie nicht an „die Anderen“ oder an eine geheime Weltregierung delegieren. Es ist unsere Aufgabe sie wahrzunehmen und ernstzunehmen.
Aber unser Leben bestimmen muss das Böse nicht. Ganz im Gegenteil. Das Exsultet, das große Loblied auf die Auferstehung, das in der Osternacht gesungen wird, bringt es auf den Punkt: „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden.“ Wir sind in Schuld verstrickt - zur Liebe und zum Glück befreit. Wir sind fähig, neue Wege zu gehen. Wir sind in der Lage, schöpferisch die Welt zu verändern. Wir können über unseren Schatten springen. Das Wissen um die Macht des Bösen in uns bringt das befreiende Licht der Erlösung nur strahlender zur Geltung.
Sebastian Nüßl
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