Direkt zum Hauptbereich

Gedanken zum Pfingstfest von Pfarrer Franz Reitinger


Fenster zur Firmung/Pfarrkirche St. Martin

Was wäre Ostern ohne Pfingsten? Was wären die Auferstehung Jesu und seine nachösterlichen Begegnungen mit seinen Freunden von damals ohne ihre pfingstliche Erfahrung, von Gottes Geist erfüllt, von Gottes Geist ermutigt und geführt zu sein?

Ostern ohne Pfingsten - dieses außerordentliche Ereignis der Weltgeschichte wäre wohl eine Randnotiz in den Geschichtsbüchern geblieben, eine Frage für kluge philosophische und theologische Diskussionen, die von großem Interesse ist, dann aber auch wieder ad acta gelegt wird, weil sich allein mit Mitteln der Vernunft nicht eindeutig klären lässt, ob es überhaupt möglich ist, dass jemand aus dem Tod ins Leben zurückkehrt oder gar aufersteht in ein ganz anderes Leben jenseits der Kategorien von Raum und Zeit.

Ostern ohne Pfingsten - dieses unglaublich klingende Gerücht einer Auferstehung wäre irgendwo stecken geblieben im Kriegslärm, zwischen den zahlreichen Katastrophen, die diesen Planeten gezeichnet haben, und versandet in der kritischen Nachfrage einer Aufklärung, die nur das gelten lässt, was sich zweifelsfrei belegen lässt.

Ostern ohne Pfingsten - vielleicht muss man ja auch für die Zukunft damit rechnen, dass irgendwann der Osterglaube früherer Generationen daran scheitert, dass er nicht mehr weitergegeben wird, weil es kein neues Pfingsten mehr gibt?

Ostern ohne Pfingsten - das wäre nicht nur eine Vereinfachung im Kalender des Kirchenjahres, das wäre mehr als das Begräbnis einer oder mehrerer christlicher Konfessionen, das wäre der Todesstoß für das ganze Christentum.

Denn nur das immer neue Aufflammen des Heiligen Geistes in den einzelnen Getauften und Gefirmten, nur das immer neu stattfindende Pfingstereignis in kleinen oder auch größeren Gruppen und Gemeinschaften von überzeugten Jesusanhängern sorgt dafür, dass die Kirche unterwegs bleibt als das pilgernde Volk Gottes durch die Zeit.

Und dort, wo das geschieht, da fallen alte Grenzen in sich zusammen, da spielen Sprachgrenzen keine Rolle mehr, da fangen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Bildung an, einander zu verstehen. Und sie begreifen die Herausforderung des Evangeliums Jesu als lebbar und lebensnah, als den neuen Weg schlechthin, der allen Menschen guten Willens eine ganz neue Lebensqualität eröffnet - jenseits unsinniger Konkurrenzkämpfe, weil eine Liebe nach Jesu Maß das alles nicht mehr braucht.

Pfingsten, liebe Leserinnen und Leser, das Fest des Heiligen Geistes - das ist der nötige Doppelpunkt am Ende einer 7-wöchigen Osterzeit. Ein Doppelpunkt, der uns zu verstehen gibt: Ihr seid nicht allein mit Eurer Begeisterung, Ihr seid nicht allein mit Eurem österlichen Glauben, dass Jesus, auferweckt von den Toten, nicht mehr stirbt, Ihr seid nicht allein mit Eurer österlichen Hoffnung, dass es nach diesem irdischen Leben, das keineswegs zu verachten und gering zu schätzen ist, noch ein ganz anderes, unvorstellbar größeres Leben gibt in Gottes Herrlichkeit, Ihr seid nicht allein mit Eurer österlichen Liebe, die der Gleichgültigkeit und dem Hass, der Sünde und dem Tod den Kampf ansagt.

Pfingsten, der 50. Ostertag will dem in uns brennenden Liebesfeuer des Heiligen Geistes neue Nahrung geben und die jugendliche Begeisterung neu entfachen, Gefirmte zu sein, Gesalbte Gottes, geistbegabte Jüngerinnen und Jünger Jesu. Denn durch Gottes Gnade sind wir firm und stark genug, heute das Gute zu tun, das getan sein will.

Pfingsten, liebe Leserinnen und Leser, dieser österliche Schlussakkord will uns wappnen für einen Weg großer Achtsamkeit und Geistesgegenwart hinein in diese Welt, die oft so geistlos darauf vergisst, was wirklich zählt, oft aber auch an den erstaunlichsten Stellen mit hoher Sensibilität menschliche Werte lebt, die man genauso gut als christlich bezeichnen kann, wenn sie sich auch selbst nicht so verstehen.

Das Pfingstfest will uns anspornen, unseren christlichen Glauben als kostbaren Schatz zu hüten und ihn mit Bedacht ins Gespräch zu bringen, ohne ihn mit hohler Arroganz vor uns herzutragen oder ihn mit falscher Bescheidenheit zu verstecken. Und weil der Heilige Geist nicht in unser Eigentum übergegangen ist, sondern nur wie ein Gast gerne einkehrt in unser Innerstes, deshalb braucht es immer wieder neu unser Gebet um das Kommen des Heiligen Geistes, unser absichtsloses Sich-öffnen für den hohen Gast, der viel leiser daherkommt als wir das oft vermuten würden.

Stadtpfarrer Franz Reitinger, Deggendorf St. Martin

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kann Kirche im Januar 2022 noch Heimat sein? Predigt zum 4. Sonntag i. J.

Um die Kirche steht es schlecht. So viele Unklarheiten, so viele patriarchale Strukturen, Missbrauch, Vertuschung, unguter Umgang mit Homosexualität und anderes mehr. Nicht wenige haben das Gefühl, die Kirche, die ihnen Heimat war, bricht aus ihrem Leben weg. Heimat zu verlieren aber ist schmerzhaft.  Auch Jesus ist im Evangelium vom heutigen Sonntag dabei, seine Heimat zu verlieren. Nicht nur wird kein Prophet in seiner Heimat anerkannt, wie er im heutigen Evangelium sagt. Noch dazu provoziert Jesus die Menschen seiner Heimat. Denn er weist auf Ereignisse hin, bei denen sich Gott nicht als Gott der Juden erwiesen hat, sondern als Gott von Fremden - beispielsweise eines Syrers. Der wurde vom Aussatz geheilt, nicht die Kranken Israels. Provokationen, die die Menschen seiner Heimat verärgern und fast zur Lynchung Jesu führen. Doch der schreitet mitten durch die Menschenmenge und geht weg, wie in dieser Stelle aus dem Lukasevangelium zu lesen ist. Die Provokation Jesu ist die Aussage: Go

Die "Breaking News" Jesu - zum 7. Sonntag i. J./C - eine Predigt von Diakon Sebastian Nüßl

„Breaking News“ kann man aus dem englischen sehr unspektakulär mit „Eilmeldung“ übersetzen. Denn genau das ist meist damit gemeint. Eilmeldungen, die beispielsweise am unteren Bildrand eines Nachrichtensenders durchlaufen. Eilmeldungen von sehr unterschiedlicher Wichtigkeit: das kann die Ankündigung einer Invasion genauso sein wie die überraschende Änderung eines Börsenkurses. Auf die eine Eilmeldung folgt schon die nächste. Ungerührt wird sie der Nachrichtensprecher kurz darauf etwas ausführlicher verlesen. Selbst Katastrophen werden zur alltäglichen Routine. Ich möchte „Breaking News“ etwas kraftvoller übersetzen mit „Hereinbrechende Neuigkeiten“ und dieses Wort auf Jesus beziehen. Ich meine damit nicht die „breaking news“ im oben genannten Sinn, die es im Leben Jesu auch gegeben hat, etwa seinen Prozess und die Kreuzigung. Ich meine damit vielmehr die hereinbrechenden Neuigkeiten seiner Botschaft. Und da hat das Evangelium von diesem Sonntag einige davon. Denn wem etwas weggenomme

Zum 3. Fastensonntag - Gedanken von Pfarrer Franz Reitinger

Die Gleichnisgeschichte, die Jesus im heutigen Evangelium erzählt, kann man ganz leicht falsch verstehen. Gott ist nicht, wie man denken könnte, so wie der Besitzer dieses Weinbergs, der am liebsten den unfruchtbaren Feigenbaum umhauen würde. Gott ist so, wie diese Geschichte ausgeht. Gott hat Geduld mit uns Menschen, auch wenn wir oft genug wie nutzlose und unfruchtbare Bäume herumstehen. Doch die Geduld Gottes hat auch ein Ziel: Gott traut es uns zu, dass wir die Zeit unseres Lebens gut nutzen. Und Jesus will uns mit seinem Gleichnis dazu motivieren, gleich heute damit zu beginnen – damit zu beginnen umzukehren, uns nicht nur mit halber, sondern mit ganzer Kraft um das Gute zu mühen, fruchtbar zu werden für das Reich Gottes. Und noch ein Zweites können wir aus dem Evangelium lernen. Manchmal meinen wir – genauso wie die Leute, die zu Jesus kommen und ihm die neuesten Nachrichten erzählen, was wieder Schreckliches passiert ist – manchmal meinen wir, ein Schicksalsschlag, ein plötzli