Direkt zum Hauptbereich

Johannes der Täufer - der Heilige des Advent (Diakon Sebastian Nüßl)

 

Die Schachinger Kirche (in der Pfarrei St. Martin, Deggendorf) ist Johannes dem Täufer geweiht. Der abgebildete Seitenaltar zeigt unter der Johannesfigur eine Darstellung des abgeschlagenen Kopfes des Täufers.

Weihnachten ist nicht mehr weit. Wir sind im Advent. Allerdings verschwindet der Advent im öffentlichen Bewusstsein mehr und mehr hinter Weihnachten und wird zusehends zur Vorweihnachtszeit. Dabei kann der Advent als Zeit des Wartens, der Erwartung und der Sehnsucht gut auch ohne Weihnachten bestehen. Und tatsächlich gab es in der Kirchengeschichte Zeiten, in denen Advent überhaupt nicht mit Weihnachten verbunden war.

So wie der Advent hinter Weihnachten zu verschwinden droht, so geht es auch dem großen Heiligen des Advents: Johannes dem Täufer. Was bedeutet er uns heute noch? Der Johannes, der sich selbst so gering achtet, dass er es gar nicht wert sei dem Kommenden die Schuhriemen zu lösen. So jedenfalls lesen wir im morgigen Evangelium. Worin ist er auch heute noch ein Zeichen, das wert ist, gesehen zu werden?

 Ein erster Punkt, in dem er uns Vorbild sein kann: Er ist die Sehnsucht in Person. Er gibt sich nicht zufrieden mit den Verhältnissen so wie sie sind. Ihn treibt die Sehnsucht nach einer neuen Welt und nach neuen Menschen. Dafür geht er in die Wüste, dafür predigt er, dafür stirbt er. Diese Sehnsucht ist mit dem Kommen Jesu nicht überholt, so als wäre die Welt erlöst nur weil wir den Erlöser kennen. „Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.“ Was Paulus im Römerbrief schrieb, gilt auch heute. Unsere kurzfristige Sehnsucht gilt dem Ende der Pandemie. Darin sind sich wohl alle Menschen unserer Erde einig. Ein einmaliger Zustand, der in seinen Folgen viel zu wenig beachtet wird. Es muss weiter gehen, es muss daran angeknüpft werden: Es geht um die Sehnsucht nach einer friedlichen Welt, nach Gerechtigkeit, nach intakter Umwelt, nach einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung und vielem anderen mehr. Keine unverbindliche Sehnsucht darf das sein, sondern eine, die uns selbst in die Pflicht nimmt, die uns persönlich und politisch handeln lässt.

Ein zweites, was uns Johannes zeigen kann, ist sein Mut zur Originalität. Er ist beispielsweise der absolute Asket: Heuschrecken und wilder Honig sind seine Nahrung. Und darin ist er so ganz das Gegenteil von Jesus, der isst und trinkt, so dass ihn manche als „Fresser und Säufer“ bezeichneten. Die Bandbreite, die sich hier zeigt, öffnet unseren Blick auf christliches Leben überhaupt: es gibt viele Möglichkeiten, Christ zu sein. Jede und jeder von uns hat seinen Weg. Wir sollten den Mut haben, den eigenen Weg zu gehen. Wir sollten uns trauen, Originale zu sein. Auch wenn wir damit provozieren wie Johannes es getan hat.

Ein drittes: Johannes reiht sich ein in eine lange Geschichte von Propheten der Bibel. Er steht - wenn man so will - auf deren Schultern. Er kennt den langen Atem der Geschichte und rechnet doch immer mit dem ganz Neuen. Auch das ist für uns eine Lehre: Wir sind hineingewoben in diese unendlich schöne und schreckliche Geschichte der Menschheit mit großen, wunderbaren Gestalten und elenden Verbrechern. Wir sind ein kleiner Teil einer großen Geschichte. Vergessen wir die Schrecklichen nicht, aber richten wir uns nach den Heiligen aus, gleich welchen Glaubens oder politischer Überzeugung sie waren und sind. Rechnen wir mit Johannes genauso mit dem Neuen, das in jeder Sekunde in unser Leben treten kann.

Unsere christliche Zeitrechnung beginnt mit Christi Geburt. Aber dieses Datum ist nicht bekannt und kann nur ungefähr errechnet werden. Der Evangelist Lukas nennt dagegen die einzige feste Jahreszahl in den Evangelien. Das 15. Jahr der Regierung des Tiberius. Wir wissen nach den historischen Quellen, dass es sich um das Jahr 28 handelt. Für Lukas ist diese Zeitangabe entscheidend. Er will uns zeigen: hier beginnt für ihn die christliche Zeitrechnung. Es ist das Jahr, in dem Johannes zu predigen begann!

(Text und Bild: Sebastian Nüßl)

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zum 3. Fastensonntag - Gedanken von Pfarrer Franz Reitinger

Die Gleichnisgeschichte, die Jesus im heutigen Evangelium erzählt, kann man ganz leicht falsch verstehen. Gott ist nicht, wie man denken könnte, so wie der Besitzer dieses Weinbergs, der am liebsten den unfruchtbaren Feigenbaum umhauen würde. Gott ist so, wie diese Geschichte ausgeht. Gott hat Geduld mit uns Menschen, auch wenn wir oft genug wie nutzlose und unfruchtbare Bäume herumstehen. Doch die Geduld Gottes hat auch ein Ziel: Gott traut es uns zu, dass wir die Zeit unseres Lebens gut nutzen. Und Jesus will uns mit seinem Gleichnis dazu motivieren, gleich heute damit zu beginnen – damit zu beginnen umzukehren, uns nicht nur mit halber, sondern mit ganzer Kraft um das Gute zu mühen, fruchtbar zu werden für das Reich Gottes. Und noch ein Zweites können wir aus dem Evangelium lernen. Manchmal meinen wir – genauso wie die Leute, die zu Jesus kommen und ihm die neuesten Nachrichten erzählen, was wieder Schreckliches passiert ist – manchmal meinen wir, ein Schicksalsschlag, ein plötzli...

Kann Kirche im Januar 2022 noch Heimat sein? Predigt zum 4. Sonntag i. J.

Um die Kirche steht es schlecht. So viele Unklarheiten, so viele patriarchale Strukturen, Missbrauch, Vertuschung, unguter Umgang mit Homosexualität und anderes mehr. Nicht wenige haben das Gefühl, die Kirche, die ihnen Heimat war, bricht aus ihrem Leben weg. Heimat zu verlieren aber ist schmerzhaft.  Auch Jesus ist im Evangelium vom heutigen Sonntag dabei, seine Heimat zu verlieren. Nicht nur wird kein Prophet in seiner Heimat anerkannt, wie er im heutigen Evangelium sagt. Noch dazu provoziert Jesus die Menschen seiner Heimat. Denn er weist auf Ereignisse hin, bei denen sich Gott nicht als Gott der Juden erwiesen hat, sondern als Gott von Fremden - beispielsweise eines Syrers. Der wurde vom Aussatz geheilt, nicht die Kranken Israels. Provokationen, die die Menschen seiner Heimat verärgern und fast zur Lynchung Jesu führen. Doch der schreitet mitten durch die Menschenmenge und geht weg, wie in dieser Stelle aus dem Lukasevangelium zu lesen ist. Die Provokation Jesu ist die Aussage...

Markante Persönlichkeiten - Gedanken zum Sonntag, 6. Februar 2022 von Pfarrer Franz Reitinger

  Drei markante Persönlichkeiten werden uns heute in den Schriftlesungen vor Augen geführt, drei Glaubenszeugen, ohne die das Christentum nicht denkbar wäre: Jesus, Paulus und Jesaja. Die wichtigste Persönlichkeit für uns ist natürlich Jesus. Wir hören heute von Jesus, dem Herrn und Meister, der die Fischer am See Gennesaret sozusagen in seine Lehre nimmt, in seine Lehre als Fischer und mehr noch als Menschenfischer. Und das für professionelle Fischer Unglaubliche geschieht. Auf sein Wort hin fangen sie sogar untertags eine so große Menge an Fischen, wie es selbst in der Nacht nicht normal wäre. Jesus, eine markante Persönlichkeit, der göttliche Autorität besitzt und von dem eine ungemein große Faszination ausgeht. Aus seiner Idee, das Zwölf-Stämme-Volk Israel wieder zu sammeln, entstand eine neue Religion, die nicht nur aus Gewohnheit 2000 Jahre überlebt hat – trotz aller Krisen und Katastrophen. Nein, es war immer wieder neu die Person und die Botschaft dieses Mannes aus Nazare...