Die Schachinger Kirche (in der Pfarrei St. Martin, Deggendorf) ist Johannes dem Täufer geweiht. Der abgebildete Seitenaltar zeigt unter der Johannesfigur eine Darstellung des abgeschlagenen Kopfes des Täufers.
Weihnachten ist nicht mehr weit. Wir sind im Advent. Allerdings verschwindet der Advent im öffentlichen Bewusstsein mehr und mehr hinter Weihnachten und wird zusehends zur Vorweihnachtszeit. Dabei kann der Advent als Zeit des Wartens, der Erwartung und der Sehnsucht gut auch ohne Weihnachten bestehen. Und tatsächlich gab es in der Kirchengeschichte Zeiten, in denen Advent überhaupt nicht mit Weihnachten verbunden war.
So wie der Advent hinter Weihnachten zu verschwinden droht, so geht es auch dem großen Heiligen des Advents: Johannes dem Täufer. Was bedeutet er uns heute noch? Der Johannes, der sich selbst so gering achtet, dass er es gar nicht wert sei dem Kommenden die Schuhriemen zu lösen. So jedenfalls lesen wir im morgigen Evangelium. Worin ist er auch heute noch ein Zeichen, das wert ist, gesehen zu werden?
Ein erster Punkt, in dem er uns Vorbild sein kann: Er ist die Sehnsucht in Person. Er gibt sich nicht zufrieden mit den Verhältnissen so wie sie sind. Ihn treibt die Sehnsucht nach einer neuen Welt und nach neuen Menschen. Dafür geht er in die Wüste, dafür predigt er, dafür stirbt er. Diese Sehnsucht ist mit dem Kommen Jesu nicht überholt, so als wäre die Welt erlöst nur weil wir den Erlöser kennen. „Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.“ Was Paulus im Römerbrief schrieb, gilt auch heute. Unsere kurzfristige Sehnsucht gilt dem Ende der Pandemie. Darin sind sich wohl alle Menschen unserer Erde einig. Ein einmaliger Zustand, der in seinen Folgen viel zu wenig beachtet wird. Es muss weiter gehen, es muss daran angeknüpft werden: Es geht um die Sehnsucht nach einer friedlichen Welt, nach Gerechtigkeit, nach intakter Umwelt, nach einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung und vielem anderen mehr. Keine unverbindliche Sehnsucht darf das sein, sondern eine, die uns selbst in die Pflicht nimmt, die uns persönlich und politisch handeln lässt.
Ein zweites, was uns Johannes zeigen kann, ist sein Mut zur Originalität. Er ist beispielsweise der absolute Asket: Heuschrecken und wilder Honig sind seine Nahrung. Und darin ist er so ganz das Gegenteil von Jesus, der isst und trinkt, so dass ihn manche als „Fresser und Säufer“ bezeichneten. Die Bandbreite, die sich hier zeigt, öffnet unseren Blick auf christliches Leben überhaupt: es gibt viele Möglichkeiten, Christ zu sein. Jede und jeder von uns hat seinen Weg. Wir sollten den Mut haben, den eigenen Weg zu gehen. Wir sollten uns trauen, Originale zu sein. Auch wenn wir damit provozieren wie Johannes es getan hat.
Ein drittes: Johannes reiht sich ein in eine lange Geschichte von Propheten der Bibel. Er steht - wenn man so will - auf deren Schultern. Er kennt den langen Atem der Geschichte und rechnet doch immer mit dem ganz Neuen. Auch das ist für uns eine Lehre: Wir sind hineingewoben in diese unendlich schöne und schreckliche Geschichte der Menschheit mit großen, wunderbaren Gestalten und elenden Verbrechern. Wir sind ein kleiner Teil einer großen Geschichte. Vergessen wir die Schrecklichen nicht, aber richten wir uns nach den Heiligen aus, gleich welchen Glaubens oder politischer Überzeugung sie waren und sind. Rechnen wir mit Johannes genauso mit dem Neuen, das in jeder Sekunde in unser Leben treten kann.
Unsere christliche Zeitrechnung beginnt mit Christi Geburt. Aber dieses Datum ist nicht bekannt und kann nur ungefähr errechnet werden. Der Evangelist Lukas nennt dagegen die einzige feste Jahreszahl in den Evangelien. Das 15. Jahr der Regierung des Tiberius. Wir wissen nach den historischen Quellen, dass es sich um das Jahr 28 handelt. Für Lukas ist diese Zeitangabe entscheidend. Er will uns zeigen: hier beginnt für ihn die christliche Zeitrechnung. Es ist das Jahr, in dem Johannes zu predigen begann!
(Text und Bild: Sebastian Nüßl)
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