Wir feiern zum Abschluss des Kirchenjahres am morgigen Sonntag das Christkönigsfest. Am Sonntag darauf beginnt der Advent und damit das neue Kirchenjahr. Das Fest Christkönig hat ein Problem: es spricht von Christus als König - aber dieser Begriff sagt uns nichts mehr. Besser gesagt, er sagt uns nichts Vernünftiges mehr. Könige sind politisch bedeutungslos, sie sind Objekte der Klatschpresse, sie sind in Skandale verstrickt. Selbst wenn jemand einen historischen Blick auf das Königtum wirft, wird er mehr Schatten als Licht entdecken. Den Begriff „König“ auf Christus anzuwenden, scheint daher verfehlt.
Ich wollte es trotzdem versuchen und habe mich auf die Suche gemacht nach einem König, den ich in einem Atemzug mit Christus nennen könnte: einen wirklich großen König. Gefunden habe ich einen kleinen König in einem Kinderbuch. Gemeint ist König Hänschen I. Janusz Korczak hat diese Figur erdacht und seine Geschichte in den Büchern „König Hänschen I.“ und „König Hänschen auf der einsamen Insel“ erzählt. Der polnische Jude Janusz Korczak, geboren 1878, gestorben 1942, war nicht nur Buchautor sondern auch Arzt und Leiter eines jüdischen Waisenhauses. In Polen sind er und seine Bücher auch heute noch sehr bekannt. In Deutschland bekam er posthum 1972 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Ich habe den Eindruck, dass er bei uns seitdem mit seinem Werk mehr und mehr in Vergessenheit geraten ist.
Nun aber zurück zu König Hänschen I. Mit zehn Jahren wird er bereits gekrönt. Sein Vater ist gestorben. Dieser kleine König sieht sich als Reformator. Er führt Demokratie ein, ein Parlament, in dem Kinder genauso sitzen wie Erwachsene. Er muss sich wie jeder Politiker mit Intrigen auseinandersetzen, er hat Feinde - all das wird in den zwei Büchern unterhaltsam erzählt. Was aber ist der eigentliche Vergleichspunkt zu unserem Christkönig? Es ist die Tatsache, dass dieser junge König bis zur letzten Konsequenz - dem Tod - zu seinem Volk geht. Dass er mit und in seinem Volk leben will und lebt. Er ist ein König, der heruntergeht von seinem Thron. Wenn man so will, ein heruntergekommener König. Und ist nicht Christus genau das: ein heruntergekommener König? Heruntergekommen zu uns Menschen mit unseren Schmerzen, unserer Einsamkeit und Not, unserer Freude und Trauer, unserer Angst und unserer Hoffnung. Das verdeutlicht Jesus im heutigen Evangelium nachdrücklich. Denn auf die Frage, wo man ihm, dem König, begegnen kann, antwortet er: im Hungrigen, Durstigen, Nackten..., eben im Geringsten. Am Ende stirbt unser Christkönig dann auch - nach seiner Krönung mit einer Dornenkrone - für sein Volk - für uns.
Bestürzenderweise starb Janusz Korczak in einem gewissen Sinn ebenfalls für sein Volk wie unser guter Christkönig. Sein Volk - das waren die 200 Kinder des jüdischen Waisenhauses. Als sie nach Treblinka zur Ermordung transportiert werden sollten, bemühten sich die deutschen Soldaten, Korczak zu retten. Er war einfach zu berühmt und anerkannt als dass man ihn in den Tod schicken wollte. Aber Korczak lehnte mehrmals heftig ab. Er wollte bei seinen Kindern bleiben. Der Komponist Wladyslaw Szpilman sah die Kinder mit Janusz Korczak auf ihrem letzten Weg. Er schreibt folgendes: „Ein deutscher Soldat hatte die Idee, einen zwölfjährigen Jungen, der eine Geige dabei hatte, den Zug spielend anführen zu lassen. Als ich ihnen an der Gęsia-Straße begegnete, sangen die Kinder, strahlend, im Chor, der kleine Musikant spielte ihnen auf und Korczak trug zwei der Kleinsten, die ebenfalls lächelten, auf dem Arm und erzählte ihnen etwas Lustiges. Bestimmt hat der „Alte Doktor“ noch in der Gaskammer, als das Zyklon schon die kindlichen Kehlen würgte und in den Herzen der Waisen Angst an die Stelle von Freude und Hoffnung trat, mit letzter Anstrengung geflüstert: „Nichts, das ist nichts, Kinder“ um wenigstens seinen kleinen Zöglingen den Schrecken des Übergangs vom Leben in den Tod zu ersparen.“
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