Direkt zum Hauptbereich

Pfingstpredigt 2020 von Pfarrer Reitinger



Predigt am Pfingstsonntag 2020
Lesungen: Apg 2,1-11; 1 Kor 12,3b-7.12-13; Joh 20,19-23


Feuerzungen, Sturm und Sprachenwunder – die Lesung aus der Apostelgeschichte lässt es „krachen“, wenn es um den Heiligen Geist geht. So könnte man etwas derb und verkürzt sagen.

Und wenn man das mit der heutigen Situation der christlichen Kirchen in unserem Land vergleicht, dann könnte man schnell pessimistisch werden: Wo bleiben heute die stürmischen Zeichen des Aufbruchs? Gibt es sie nicht mehr oder finden sie woanders statt?

Doch die Pfingsterzählung in der Apostelgeschichte kennt auch andere Töne, wenn man sich die Mühe macht, die heutige Lesung in ihrem größeren Zusammenhang zu lesen. Da war kurz vorher und vor allem auch im Johannesevangelium noch davon die Rede, dass sich die Apostel eingesperrt hatten – aus lauter Angst, sie könnten auch verhaftet und verurteilt werden wie ihr Lehrer und Meister.

Und verschlossene Türen und Fenster, gepaart mit Angst und Resignation hat es im Lauf der Kirchengeschichte immer wieder gegeben – nicht nur zu unserer Zeit. Denn nicht zu allen Zeiten war die Pfingsterfahrung so laut und überschäumend wie es die Apostelgeschichte schildert.

Oft glich die Erfahrung des Heiligen Geistes eher einem leisen, fast unhörbaren Atemzug, wie ihn das heutige Evangelium beschreibt. Dort haben wir gehört, dass der Auferstandene seine Jünger anhaucht mit den Worten: Empfangt den Heiligen Geist. Und angehaucht von dem, der nach seinem Tod wie kein anderer die unbesiegbare Lebenskraft Gottes verkörpert, braucht es nicht immer die lauten Töne, um das Wirken des Gottesgeistes, des Geistes Jesu zu schildern.

Doch auch und gerade ein Atemzug kann die Welt von Grund auf verändern. Ein leiser, Geist- erfüllter Atemzug etwa, verbunden mit dem Gedanken: „Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Und wie nehme ich heute dieses Geschenk an? Womit antworte ich Gott an diesem Tag für sein Geschenk?“

Oder wie wäre es damit, wenn wir öfter den Geist Jesu einatmen, ihn gleichsam inhalieren würden, indem wir zum Beispiel mal wieder eine Stelle im Evangelium aufschlagen, sie langsam und aufmerksam lesen und ihren Worten nachsinnen. Vielleicht geschieht es dann, dass Gottes Heiliger Geist mich in den Worten der Heiligen Schrift unmittelbar anspricht, dass Gottes Wort hinein spricht in mein konkretes, alltägliches Leben.

Oder wie wäre es damit, vor jedem bösen Wort, das mir auf der Zunge liegt, einmal kräftig durchzuatmen und das Sieb des Heiligen Geistes zu benutzen, das Sieb der Wahrheit, das Sieb der Weisheit und das Sieb der Liebe? Ist es wahr, was ich sage? Ist es klug, dass ich es sage? Und hat es mit Liebe etwas zu tun oder widerspricht es der Liebe zum Nächsten, zu meinen Mitmenschen, wenn ich das jetzt sage?

Den Heiligen Geist zum Zug kommen lassen, die gute Luft Gottes einatmen und nicht den üblichen Mief; den Sauerstoff der Liebe Gottes tief einatmen – das allein kann schon ein Leben völlig verändern. Und aus diesen kleinen Zeichen eines geistesgegenwärtigen Lebens aus dem Glauben heraus entwickeln sich dann bestimmt auch die großen Zeichen, die die Apostelgeschichte mit dem Pfingsttag in Verbindung bringt.

Denn nicht immer fallen Toleranz und Verständnis zwischen Menschen und Völkern, zwischen Konfessionen und Religionen wie Feuerzungen vom Himmel, oft wächst das Sprachenwunder des gegenseitigen Verstehens aus den kleinen Schritten.

Und wenig spektakulär sind meistens auch die Charismen, die Talente und Fähigkeiten, die Gottes Geist denen schenkt, die sich auf sein Wirken einlassen, die sich immer wieder seinem Lebenshauch aussetzen. Denn da geht es nicht darum, dass jemand groß rauskommt. Da geht es immer zuerst darum, dass man mit seinen Charismen dem Aufbau des Reiches Gottes und dem Aufbau der christlichen Gemeinde dient.

Achten wir deshalb an Pfingsten besonders darauf, die Charismen von anderen wahrzunehmen und zu achten. Und überprüfen wir die eigenen Motive für unser Engagement, aber auch für unsere Zurückhaltung. Denn das eigene Licht gehört weder unter den Scheffel, noch soll es dazu berechtigen, das Licht von anderen klein zu reden oder auszulöschen.

Pfingsten, liebe Mitchristen, kann genau genau dann für uns alle zu einem echten Hochfest werden, wenn wir uns anhauchen lassen durch den Auferstandenen - mit seinem belebenden Geist, wenn wir uns dazu ermutigen lassen zu seinen Osterzeugen zu werden, wenn wir uns inspirieren lassen, in seinem Sinne und geistvoll diese Erde umzugestalten. Amen.

Stadtpfarrer Franz Reitinger, Deggendorf St. Martin
Foto: Heilig-Geist-Fenster in St. Martin

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zum 3. Fastensonntag - Gedanken von Pfarrer Franz Reitinger

Die Gleichnisgeschichte, die Jesus im heutigen Evangelium erzählt, kann man ganz leicht falsch verstehen. Gott ist nicht, wie man denken könnte, so wie der Besitzer dieses Weinbergs, der am liebsten den unfruchtbaren Feigenbaum umhauen würde. Gott ist so, wie diese Geschichte ausgeht. Gott hat Geduld mit uns Menschen, auch wenn wir oft genug wie nutzlose und unfruchtbare Bäume herumstehen. Doch die Geduld Gottes hat auch ein Ziel: Gott traut es uns zu, dass wir die Zeit unseres Lebens gut nutzen. Und Jesus will uns mit seinem Gleichnis dazu motivieren, gleich heute damit zu beginnen – damit zu beginnen umzukehren, uns nicht nur mit halber, sondern mit ganzer Kraft um das Gute zu mühen, fruchtbar zu werden für das Reich Gottes. Und noch ein Zweites können wir aus dem Evangelium lernen. Manchmal meinen wir – genauso wie die Leute, die zu Jesus kommen und ihm die neuesten Nachrichten erzählen, was wieder Schreckliches passiert ist – manchmal meinen wir, ein Schicksalsschlag, ein plötzli...

Die "Breaking News" Jesu - zum 7. Sonntag i. J./C - eine Predigt von Diakon Sebastian Nüßl

„Breaking News“ kann man aus dem englischen sehr unspektakulär mit „Eilmeldung“ übersetzen. Denn genau das ist meist damit gemeint. Eilmeldungen, die beispielsweise am unteren Bildrand eines Nachrichtensenders durchlaufen. Eilmeldungen von sehr unterschiedlicher Wichtigkeit: das kann die Ankündigung einer Invasion genauso sein wie die überraschende Änderung eines Börsenkurses. Auf die eine Eilmeldung folgt schon die nächste. Ungerührt wird sie der Nachrichtensprecher kurz darauf etwas ausführlicher verlesen. Selbst Katastrophen werden zur alltäglichen Routine. Ich möchte „Breaking News“ etwas kraftvoller übersetzen mit „Hereinbrechende Neuigkeiten“ und dieses Wort auf Jesus beziehen. Ich meine damit nicht die „breaking news“ im oben genannten Sinn, die es im Leben Jesu auch gegeben hat, etwa seinen Prozess und die Kreuzigung. Ich meine damit vielmehr die hereinbrechenden Neuigkeiten seiner Botschaft. Und da hat das Evangelium von diesem Sonntag einige davon. Denn wem etwas weggenomme...

Auszug aus der Predigt am Faschingssonntag, 27.02.2022 von Stadtpfarrer Franz Reitinger

 Liebe Mitchristen, liebe Schwestern, liebe Brüder, bevor er so richtig begann, ist der Fasching auch heuer wieder von der Bildfläche verschwunden. Hatte die Corona-Pandemie schon vieles unterbunden, war die Lust auf Karneval mit dem Münchner Gutachten um Missbrauch  und Vertuschung schon merklich reduziert, so hat der Krieg, die Aggression Putins gegen die Ukraine die meisten von uns auf einen Tiefpunkt der Faschingslaune geführt. Wie sollten wir uns auch als Narren gebärden, während Raketen und Bomben, Flugzeuge und Panzer wehrlose  Menschen gefährden. Ich sage es deutlich, wenn auch in Reimen. Die Lage in Europa ist seit Donnerstag nur noch zum Weinen. Die Ukraine und sein demokratisch gewählter Präsident ist in höchster  Gefahr. Es steht zu befürchten, dass er nicht das letzte Opfer von Putins menschenverachtender Diktatur war. Ja, meine lieben Mitchristen, ich wäre so gerne auf die Kanzel gegangen, Und hätte so gern mit harmlosen, lustigen Versen Si...