Direkt zum Hauptbereich

Die mütterliche Seite Gottes: Gedanken von Pater Gregor Schuller OSB



Die mütterliche Seite Gottes

Von Kaplan P. Gregor Schuller OSB, Deggendorf St. Martin/Metten

 

Seit etwa hundert Jahren hat er bei uns in Deutschland einen festen Platz im Kalender: der Muttertag. Jedes Jahr im Mai gedenken wir dankbar unserer Mütter, die uns das Leben geschenkt und zu leben gelehrt haben; die uns geboren, erzogen und manchmal vielleicht auch ertragen haben; und die uns auch ab einem gewissen Punkt loslassen und in die Selbständigkeit entlassen mussten. Für all das und für noch viel mehr gebührt ihnen das ganze Jahr hindurch ein großer Dank, der in besonderer Weise am Muttertag seinen Ausdruck finden kann.

Für Katholiken spielt im Monat Mai aber auch noch eine andere Mutter eine wichtige Rolle: die Gottesmutter Maria. Auch sie hat neun Monate ihren Sohn Jesus unter ihrem Herzen getragen bevor sie ihn in Bethlehem geboren hat. Sie hat in allem die Rolle einer menschlichen Mutter für ihren göttlichen Sohn ausgefüllt. Sie war ihm nahe und kannte ihn wie wohl kein Mensch außer ihr. Darum hat er sie auch nach ihrem Tod zu sich in den Himmel aufgenommen, wie wir im Glauben bekennen. Deshalb dürfen wir auch darauf vertrauen, dass sie ihm auch jetzt und zu jeder Zeit besonders verbunden ist und so für alle, die ihr Nöte und Anliegen anvertrauen, als mächtige Fürsprecherin bei ihrem Sohn eintritt.

Aber wie ist das eigentlich mit Gott, der häufig Vater genannt wird? Wenn er Gott ist und deshalb alles Gute in sich vereint, könnte oder müsste er dann nicht nur Vater, sondern auch auf irgendeine Art und Weise zusätzlich Mutter sein?

Im alttestamentlichen Buch Jesaja finden sich durchaus deutliche Aussagen über die mütterliche Seite Gottes: „Auf der Hüfte werdet ihr getragen, auf Knien geschaukelt. Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch.“ (Jes 66,12b–13). Das ist die Haltung Gottes gegenüber jedem Menschen, die der einer liebenden Mutter gleicht. Er will bei uns sein, möchte uns Menschen aufrichten und geduldig an unseren Lasten mittragen, will Ruhe verschaffen wo es nottut. Aber wie eine weise Mutter wird er sich nicht aufdrängen. Er wird sich eher im Hintergrund halten, Sicherheit vermitteln und keinesfalls bevormunden. Gott wird – wie auch Maria auf der Hochzeit zu Kana – mit wachsamen Augen unsere Bedürfnisse und Sorgen sehen und erkennen. Im rechten Moment wird er eingreifen, was nicht unbedingt mit unserem Gespür für den richtigen Augenblick übereinstimmen muss. Mütterliches Vertrauen und Beziehung sind Stichworte, die das andeuten, was Gott zu uns aufbauen und wie er für uns sein will.

Wenn wir uns darum bemühen, dies zu erwidern und in unserem Leben zu verwirklichen, kann die mütterliche Seite Gottes durch jeden Menschen in die Welt einbrechen. Durch eine solche Haltung und Fürsorge füreinander kann sich die Gestalt von Kirche und Welt immer mehr ihrem Ideal annähern. Gott selbst gibt ein menschliches Vorbild und lässt so seine ursprüngliche Idee vom Menschen Wirklichkeit werden: Er schenkt uns Maria als aufmerksam hörende, tief glaubende und zum Helfen bereite Mutter.

 

Bild: Marienfigur (Benediktinerabtei Metten, Mönchschor), Foto: P. Thomas Winter OSB

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zum 3. Fastensonntag - Gedanken von Pfarrer Franz Reitinger

Die Gleichnisgeschichte, die Jesus im heutigen Evangelium erzählt, kann man ganz leicht falsch verstehen. Gott ist nicht, wie man denken könnte, so wie der Besitzer dieses Weinbergs, der am liebsten den unfruchtbaren Feigenbaum umhauen würde. Gott ist so, wie diese Geschichte ausgeht. Gott hat Geduld mit uns Menschen, auch wenn wir oft genug wie nutzlose und unfruchtbare Bäume herumstehen. Doch die Geduld Gottes hat auch ein Ziel: Gott traut es uns zu, dass wir die Zeit unseres Lebens gut nutzen. Und Jesus will uns mit seinem Gleichnis dazu motivieren, gleich heute damit zu beginnen – damit zu beginnen umzukehren, uns nicht nur mit halber, sondern mit ganzer Kraft um das Gute zu mühen, fruchtbar zu werden für das Reich Gottes. Und noch ein Zweites können wir aus dem Evangelium lernen. Manchmal meinen wir – genauso wie die Leute, die zu Jesus kommen und ihm die neuesten Nachrichten erzählen, was wieder Schreckliches passiert ist – manchmal meinen wir, ein Schicksalsschlag, ein plötzli...

Kann Kirche im Januar 2022 noch Heimat sein? Predigt zum 4. Sonntag i. J.

Um die Kirche steht es schlecht. So viele Unklarheiten, so viele patriarchale Strukturen, Missbrauch, Vertuschung, unguter Umgang mit Homosexualität und anderes mehr. Nicht wenige haben das Gefühl, die Kirche, die ihnen Heimat war, bricht aus ihrem Leben weg. Heimat zu verlieren aber ist schmerzhaft.  Auch Jesus ist im Evangelium vom heutigen Sonntag dabei, seine Heimat zu verlieren. Nicht nur wird kein Prophet in seiner Heimat anerkannt, wie er im heutigen Evangelium sagt. Noch dazu provoziert Jesus die Menschen seiner Heimat. Denn er weist auf Ereignisse hin, bei denen sich Gott nicht als Gott der Juden erwiesen hat, sondern als Gott von Fremden - beispielsweise eines Syrers. Der wurde vom Aussatz geheilt, nicht die Kranken Israels. Provokationen, die die Menschen seiner Heimat verärgern und fast zur Lynchung Jesu führen. Doch der schreitet mitten durch die Menschenmenge und geht weg, wie in dieser Stelle aus dem Lukasevangelium zu lesen ist. Die Provokation Jesu ist die Aussage...

Markante Persönlichkeiten - Gedanken zum Sonntag, 6. Februar 2022 von Pfarrer Franz Reitinger

  Drei markante Persönlichkeiten werden uns heute in den Schriftlesungen vor Augen geführt, drei Glaubenszeugen, ohne die das Christentum nicht denkbar wäre: Jesus, Paulus und Jesaja. Die wichtigste Persönlichkeit für uns ist natürlich Jesus. Wir hören heute von Jesus, dem Herrn und Meister, der die Fischer am See Gennesaret sozusagen in seine Lehre nimmt, in seine Lehre als Fischer und mehr noch als Menschenfischer. Und das für professionelle Fischer Unglaubliche geschieht. Auf sein Wort hin fangen sie sogar untertags eine so große Menge an Fischen, wie es selbst in der Nacht nicht normal wäre. Jesus, eine markante Persönlichkeit, der göttliche Autorität besitzt und von dem eine ungemein große Faszination ausgeht. Aus seiner Idee, das Zwölf-Stämme-Volk Israel wieder zu sammeln, entstand eine neue Religion, die nicht nur aus Gewohnheit 2000 Jahre überlebt hat – trotz aller Krisen und Katastrophen. Nein, es war immer wieder neu die Person und die Botschaft dieses Mannes aus Nazare...