Direkt zum Hauptbereich

Die böse Welt und die Christen - Gedanken von Diakon Sebastian Nüßl zum 7. Sonntag der Osterzeit


„Letztes Jahr hamma mia a Weltreise mocht - I sog eana oans: Do fahrn ma nimma hi“ heißt es in einem Sketch von Gerhard Polt. Wie gute Satire es soll, entblößt dieser Spruch eine Weltsicht: Das andere gilt wenig. Nur das meine ist was wert. Das andere: die anderen Kulturen, die anderen Ansichten und die Politiker sowieso: sie taugen alle nichts.

Leider kann man aus dem Evangelium vom heutigen 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17, 1- 11a) durchaus eine ähnliche Meinung ableiten. Fünfmal kommt das Wort „Welt“ vor und es ist niemals positiv gemeint. Die Welt das sind die Nicht-Christen. Diese negative Haltung ist vielleicht verständlich für das Johannes-Evangelium, das in einer Zeit geschrieben wurde, wo sich sowohl die Synagogen als auch die römische Staatsmacht gegen die Christen positionierten. Es ist vielleicht verständlich in einer Zeit, wo das Christentum zu sich selbst finden musste und daher meinte, sich abgrenzen zu müssen. Aber eine solche Einstellung ist weit weg vom Denken und Handeln Jesu. Der hat sich für die „Welt“ geöffnet, auch wenn seine Sendung zuerst seinen jüdischen Schwestern und Brüdern galt. Jesus hat sich geöffnet für Nicht-Juden, für Nicht-Gläubige, für Nicht-Anerkannte.

Die Tradition der Abgrenzung von der „Welt“ hatte jedenfalls fatale Folgen für das Christentum, auch wenn sie sich bei weitem nicht immer und auf alle Theologien auswirkte. Denn sie trennt: vom Judentum, von anderen Religionen, von der kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung. Leider gibt es sie immer noch, die „Unglückspropheten“ wie Papst Johannes XXIII sie genannt hat, die meinen, „in den heutigen Verhältnissen der menschlichen Gesellschaft nur Untergang und Unheil zu erkennen.“ Und wenn man von Kardinälen liest, die Verschwörungstheorien unterstützen, weiß man Bescheid: Dummheit bleibt und sie geht - wie könnte es auch anders sein - bis ganz oben.

Dabei hat das II. Vatikanische Konzil (1962 - 1965) für die katholische Kirche eine ganz andere Weltsicht festgeschrieben. Der Beginn der Konstitution „Kirche in der Welt von heute“ ist Programm: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“ Da ist nichts zu spüren von Abgrenzung, da ist nichts zu spüren von Weltflucht oder gar Welthass.

Als Katholik heute sollte man sich zum Glauben des II. Vatikanischen Konzils bekennen, denn es ist der Glaube der Kirche. Dann geht es nicht, Kulturen und Religionen gering zu achten, dann geht es nicht über die heutige Kunst und Musik grundsätzlich die Nase zu rümpfen, dann geht es nicht über Politiker gehässig herzufallen. Kritik ist immer erlaubt - Abtrennung nie. Das Volk Gottes schließt niemanden aus. Wir bekennen: Diese Welt ist unsere gemeinsame Welt, die Schöpfung des einen Gottes.

 

Foto: Kirchenfenster St. Martin: „Schöpfung“ (Ausschnitt); Foto: Jürgen Stern

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zum 3. Fastensonntag - Gedanken von Pfarrer Franz Reitinger

Die Gleichnisgeschichte, die Jesus im heutigen Evangelium erzählt, kann man ganz leicht falsch verstehen. Gott ist nicht, wie man denken könnte, so wie der Besitzer dieses Weinbergs, der am liebsten den unfruchtbaren Feigenbaum umhauen würde. Gott ist so, wie diese Geschichte ausgeht. Gott hat Geduld mit uns Menschen, auch wenn wir oft genug wie nutzlose und unfruchtbare Bäume herumstehen. Doch die Geduld Gottes hat auch ein Ziel: Gott traut es uns zu, dass wir die Zeit unseres Lebens gut nutzen. Und Jesus will uns mit seinem Gleichnis dazu motivieren, gleich heute damit zu beginnen – damit zu beginnen umzukehren, uns nicht nur mit halber, sondern mit ganzer Kraft um das Gute zu mühen, fruchtbar zu werden für das Reich Gottes. Und noch ein Zweites können wir aus dem Evangelium lernen. Manchmal meinen wir – genauso wie die Leute, die zu Jesus kommen und ihm die neuesten Nachrichten erzählen, was wieder Schreckliches passiert ist – manchmal meinen wir, ein Schicksalsschlag, ein plötzli...

Die "Breaking News" Jesu - zum 7. Sonntag i. J./C - eine Predigt von Diakon Sebastian Nüßl

„Breaking News“ kann man aus dem englischen sehr unspektakulär mit „Eilmeldung“ übersetzen. Denn genau das ist meist damit gemeint. Eilmeldungen, die beispielsweise am unteren Bildrand eines Nachrichtensenders durchlaufen. Eilmeldungen von sehr unterschiedlicher Wichtigkeit: das kann die Ankündigung einer Invasion genauso sein wie die überraschende Änderung eines Börsenkurses. Auf die eine Eilmeldung folgt schon die nächste. Ungerührt wird sie der Nachrichtensprecher kurz darauf etwas ausführlicher verlesen. Selbst Katastrophen werden zur alltäglichen Routine. Ich möchte „Breaking News“ etwas kraftvoller übersetzen mit „Hereinbrechende Neuigkeiten“ und dieses Wort auf Jesus beziehen. Ich meine damit nicht die „breaking news“ im oben genannten Sinn, die es im Leben Jesu auch gegeben hat, etwa seinen Prozess und die Kreuzigung. Ich meine damit vielmehr die hereinbrechenden Neuigkeiten seiner Botschaft. Und da hat das Evangelium von diesem Sonntag einige davon. Denn wem etwas weggenomme...

Auszug aus der Predigt am Faschingssonntag, 27.02.2022 von Stadtpfarrer Franz Reitinger

 Liebe Mitchristen, liebe Schwestern, liebe Brüder, bevor er so richtig begann, ist der Fasching auch heuer wieder von der Bildfläche verschwunden. Hatte die Corona-Pandemie schon vieles unterbunden, war die Lust auf Karneval mit dem Münchner Gutachten um Missbrauch  und Vertuschung schon merklich reduziert, so hat der Krieg, die Aggression Putins gegen die Ukraine die meisten von uns auf einen Tiefpunkt der Faschingslaune geführt. Wie sollten wir uns auch als Narren gebärden, während Raketen und Bomben, Flugzeuge und Panzer wehrlose  Menschen gefährden. Ich sage es deutlich, wenn auch in Reimen. Die Lage in Europa ist seit Donnerstag nur noch zum Weinen. Die Ukraine und sein demokratisch gewählter Präsident ist in höchster  Gefahr. Es steht zu befürchten, dass er nicht das letzte Opfer von Putins menschenverachtender Diktatur war. Ja, meine lieben Mitchristen, ich wäre so gerne auf die Kanzel gegangen, Und hätte so gern mit harmlosen, lustigen Versen Si...