Von Kaplan P. Gregor Schuller OSB, Deggendorf St. Martin/Metten
„Wie ist die Stimmung?“ – Diese Frage wird regelmäßig von Nachrichtensprechern gestellt und ist häufig an zugeschaltete Auslandskorrespondenten gerichtet.
Die erwartete Antwort ist vielschichtig. Sie soll Auskunft über politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Situationen geben, sie soll neue Informationen über aktuelle Ereignisse und Sachverhalte liefern.
Damit ist aber noch nicht alles gesagt, denn „Stimmung“ meint mehr.
In den Bereich „Stimmung“ spielt ganz wesentlich auch die persönliche, innerliche Gestimmtheit mit hinein: wie mich die eben genannten äußerlichen Faktoren
berühren und beeinflussen; wie sie auf mein Verhältnis zu mir selbst, zu den Mitmenschen, zur Umwelt und zu Gott wirken; wie sie meinen Blick auf die Welt als Ganze färben, eintrüben oder erhellen; und
wie letztlich meine eigene Stimmung und Gestimmtheit die Stimmung in einer Gemeinschaft oder Gesellschaft beeinflussen. Jeder von uns kann das für sich feststellen, wenn er in diesen Tagen der Corona-Pandemie mit Angehörigen,
Freunden oder Bekannten telefonisch Kontakt aufnimmt und sich wohl gleich zu Anfang des Gespräches erkundigt: „Wie geht es dir? Wie ist die Stimmung bei euch?“
Um Stimmung geht es auch am Palmsonntag, was sich ganz deutlich in der Liturgie dieses Tages wiederspiegelt. Jesus weiß, was ihm bevorsteht, er kennt sein Schicksal. Die anfängliche
Euphorie vom Beginn seines öffentlichen Wirkens ist verflogen. Je mehr er den Menschen Gutes tat, ja mehr Kranke er heilte und je öfter er vom Reich Gottes predigte, desto mehr Ablehnung erfuhr er. Die Pharisäer
und Schriftgelehrten, die Anführer und Wortführer seines eigenen Volkes, lehnen Jesus ab. Mehr noch: sie agieren gegen ihn und wollen ihn letztlich beseitigen, weil Jesu Botschaft und seine Kritik unbequem sind und
nicht zu den Zeitumständen zu passen scheinen. So wird Jesus sogar zur politischen und gesellschaftlichen Gefahr. Bald schon steht der Entschluss fest: er muss weg. Die Stimmung ist gekippt.
Als Jesus am Palmsonntag in Jerusalem einzieht, hat er wohl all das im Hinterkopf. Er weiß um seine Akzeptanz und um seine Ablehnung, er kennt seine Anhänger und er weiß
um seine Gegner. Und doch zieht er unter großem Jubel auf einem Esel reitend in die Stadt ein. Die Menschen drängen sich am Straßenrand, wollen ihn sehen, begrüßen ihn freudig. Kleider werden auf
der staubigen Straße ausgebreitet, um ihn zu ehren. Man will Jesus entsprechend begrüßen, ihn, den König, den erwarteten Retter, den Messias.
Von der Reaktion Jesu auf diesen fulminanten Empfang erzählen die Evangelien nichts. Vielleicht ist Jesus ganz ruhig, auf dem Esel sitzend einhergeritten. Sicher nimmt er all das
ganz aufmerksam wahr, bleibt aber ganz nüchtern. Vielleicht denkt er an die Begegnungen der vergangenen Jahre, an sein Wirken, an die erfahrene Ablehnung, auch an all die dankbaren Menschen. Er weiß um das Vergangene.
Er weiß auch, dass er vom Vater einen Auftrag erhalten hat, den er erfüllen wird. Dazu ist er gekommen. Er weiß, dass trotz allen Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre, die Stimmung letztlich und endgültig
kippen wird. Er zieht nicht in Jerusalem ein, weil er dort König sein soll. Er zieht vielmehr in Jerusalem ein um dort zunächst zum Tod verurteilt zu werden, um zu sterben und um begraben zu werden.
Jesus nimmt das Unabwendbare und das Unveränderliche an, ganz nüchtern. Das kann auch der Auftrag für uns Menschen in der gegenwärtigen Zeit sein: das tun, was wir
tun können und das anzunehmen, was wir nicht (ganz) ändern können. Wir dürfen dies in der Gewissheit tun, dass wir dabei nicht allein sind. Jesus geht mit. Er zieht mit uns durch die Schwierigkeiten und
Katastrophen unseres Lebens, wenn es sein muss bis zum Tiefpunkt. Wir dürfen dabei voll Vertrauen und Hoffnung zu ihm aufschauen und hinschauen, so wie er sein ganzes Leben und Leiden mit Blick auf Gott, seinen Vater,
durchgestanden hat.
Wenn wir das tun, dürfen wir gewiss sein, dass auch unsere Stimmung langsam aber sicher positiv kippen wird – wie bei Jesus. Er blieb nicht im Dunkel des Todes. Sein Weg nach Jerusalem hinein hin zum Kreuz auf Golgota endete dort nicht. Sein Weg führte ihn durch
dieses enge Tor seiner persönlichen Nacht hindurch zur Auferstehung. Auf dieses neue Licht, auf das neue Leben für uns – auch nach dieser gegenwärtigen Krise –, dürfen wir jetzt schon zuversichtlich
hoffen. Gott sichert es uns zu, wie er uns durch den Sieg Jesu an Ostern auch das ewige Leben verheißen hat.
Eines ist und bleibt sicher: die Stimmung kippt!
Bild: Palmesel (Benediktinerabtei Metten), Foto: P. Thomas Winter OSB
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