Eine Schule für den Osterglauben
Von Kaplan P. Gregor Schuller OSB, Deggendorf St. Martin/Metten
Ist das nicht erstaunlich: in vielen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens erfahren wir derzeit Einschränkungen. Dennoch funktioniert eines weiterhin uneingeschränkt
gut, ja man kann fast den Eindruck gewinnen, dass niemals zuvor darin ein derart hoher Standard erreicht worden ist, nämlich in der Weitergabe von Informationen. Wohl zu keiner Zeit war es möglich, innerhalb von
Sekundenbruchteilen Nachrichten an eine Vielzahl von Personen auf der ganzen Welt zu versenden. Niemals zuvor war dies mit so wenig Aufwand und so geringen Kosten verbunden. Zu keiner Zeit waren für jedermann die logistischen
und technischen, aber auch die persönlichen Voraussetzungen dazu gegeben. Zudem wäre es noch vor nicht allzu langer Zeit aufgrund der Bildungsvoraussetzungen und der gesellschaftlichen Akzeptanz für viele so
nicht möglich gewesen, sich öffentlich zu äußern und dabei auch gehört zu werden. Ja, es ist erstaunlich: trotz aller gegenwärtig sinnvollen und notwendigen Einschränkungen können die
meisten Menschen in irgendeiner Form miteinander Kontakt halten und sich weiterhin öffentlich mitteilen.
Wie war das mit den Anhängern Jesu in den Tagen nach der Auferstehung? Auch sie hielten Kontakt. Zwar waren sie zunächst verstört wegen dem, was die erlebt hatten: Der,
der von sich sagte, dass er der Retter, der Sohn Gottes sei, der, dem sie geglaubt und gefolgt waren, auf den sie all ihre Hoffnung gesetzt hatten, ist gestorben. Er wurde zum Tod verurteilt und auf die schändlichste
aller möglichen Arten am Kreuz getötet. Und doch ist da ein Funke Hoffnung. Bereits drei Tage nach seinem Tod verbreitet sich die unglaubliche Nachricht, dass er auferstanden sei und lebe. Mehr noch: es geht das
Gerücht um, dass er sich immer wieder zeigt. Er tritt regelmäßig in die Mitte derer, die sich zum Gebet versammeln und in seinem Namen das Brot brechen – Eucharistie feiern –, wie er es ihnen am
Abend vor seinem Tod aufgetragen hat. All das musste auch unter schwierigen Bedingungen geschehen. Öffentliche Zusammenkünfte solcher Art im Namen dieses Jesus waren zur Zeit der Urgemeinde wegen der politischen
Sprengkraft seiner Botschaft untersagt.
Und doch tritt Jesus zu seinen Jüngern hinzu. Obwohl sie Angst hatten und die Türen verschlossen halten mussten, kommt Jesus. Vielleicht ist genau das auch unsere Situation:
obwohl aus vernünftigen Gründen derzeit noch kein öffentlicher Gottesdienst gefeiert werden kann, tritt der Herr immer dann in unsere Mitte, wenn – und sei es nur ein kleiner Kreis – stellvertretend
Eucharistie oder auch eine andere Form von Gottesdienst feiert. Das kann immer und jeden Tag geschehen, das war unsere Situation am zurückliegenden Osterfest.
Die Auferstehungserzählungen aus der Heiligen Schrift sagen uns das deutlich und machen uns Mut. Sie versichern uns, dass der Herr da ist, wann und wo immer wir ihn in Gebet und
Gottesdienst suchen und ihm unter uns einen Platz bereiten wollen. Sie zeigen uns, dass es keine Schranken und Barrieren gibt, keine noch so große Entfernung und keine Angst, die Gott aufhalten oder fern halten könnten
– außer vielleicht ein verschlossenes und ablehnendes Herz.
Deswegen ergeht gerade in diesen österlichen Tagen die Einladung an uns, die vielfältigen Formen des privaten und persönlichen Gebetes und der Schriftlesung zu nutzen.
Probieren wir es doch mit alten und vertrauten Formen wie dem Rosenkranz oder dem stillen verweilen vor dem Tabernakel in den ohnehin geöffneten Kirchen. Versuchen wir es, sobald es wieder möglich ist, mit kleineren
Gottesdienstformen wie Maiandacht oder eucharistischer Anbetung. Werden Sie selbst kreativ und entdecken Sie für sich und Ihre Familie Formen, die Ihnen entsprechen und für Sie möglich sind.
Ein solches Bemühen könnte für uns zu einer Schule des Osterglaubens werden: den Glauben trotz Einschränkungen weitersagen, wenn auch anders als bisher gewohnt; nicht
resignativ aufhören, sondern frisch und freudig das aus dem Glauben und im Gebet tun, was halt gerade möglich ist; eine Form von Gottesdienst für sich oder in der Familie feiern und dabei sicher sein: Jesus
tritt in unsere Mitte. Wir wissen, dass er alle momentanen Hindernisse überwinden kann, wie er unmittelbar nach seiner Auferstehung bewiesen hat.
Wenn das geschieht, wenn wir diesen unseren Osterglauben pflegen, neu erwecken und groß werden lassen, kann das zu einer echten Erneuerung des Glaubens führen. Vor 2000 Jahren
verbreitete sich so das Christentum. Jetzt liegt es an uns, diese Botschaft mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln weiterzusagen. Die Schrifttexte dieses Sonntags benennen das deutlich: „Diesen Jesus hat
Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen.“ (Apg 2,32). Nutzen wir diese Chance!
Bildunterschrift: Emmaus-Jünger (Benediktinerabtei Metten, Benediktuskapelle)
Foto: P. Thomas Winter OSB
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