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Karfreitag - Gedanken von Diakon Sebastian Nüßl



Georg Trakl, dieser hervorragende Österreichische Schriftsteller, starb 1914. Er starb in einem Militärlazarett. Dort hatte er als Sanitäter gearbeitet. Die Erfahrungen des Krieges waren ihm zu viel geworden. Er ist nicht damit fertig geworden. Mit 27 Jahren nahm er sich mit einer Überdosis Morphium das Leben.
Eines seiner letzten Gedicht wurde im Nachlass veröffentlicht:

Triff mich Schmerz! Die Wunde glüht.
Dieser Qual hab` ich nicht acht!
Sieh aus meinen Wunden blüht
Rätselvoll ein Stern zur Nacht!
Triff mich Tod! Ich bin vollbracht.

Deutlich bezieht sich Trakl in diesem Gedicht auf den Kreuzweg Jesu, auf Karfreitag. Er spricht von Tod, Wunden, Schmerz und Qual. Vor allem aber zitiert er einen Satz von Jesus am Kreuz - er zitiert ihn und er verändert ihn, wenn er schreibt: Ich bin vollbracht - statt: Es ist vollbracht.
„Ich bin vollbracht“, das bedeutet dann wohl "Ich bin fertig mit meinem Leben, mit den anderen Menschen, mit der Welt. Ich bin fertig und erwarte nur noch eines - den Tod: Triff mich Tod! Ich bin vollbracht."
Mit diesem einen "Ich" statt "Es"  hat Trakl die Aussage Jesu ziemlich genau ins Gegenteil verkehrt.
Jesus meinte mit seinem „Es ist vollbracht“ sein Lebensprojekt, seine Lebensaufgabe: Gott und Menschen zusammenzuführen. Damit aber endet nicht die Geschichte Gottes mit den Menschen, damit ist Gott nicht mit den Menschen fertig. Damit beginnt sie ganz neu und in jedem Menschen neu. Gott wird nie mit uns fertig, so wie jemand, der liebt, nie mit dem anderen fertig ist.
Nochmals zurück zum Gedicht Trakls: Sein Gedicht ist nicht völlig ohne Hoffnung. Er schreibt: Sieh aus meinen Wunden blüht rätselvoll ein Stern zur Nacht. Darin drückt sich, meine ich, die Hoffnung Trakls aus, dass sein Leiden nicht vergebens war. Sein Leiden, seine Wunden, sollen zum Stern werden, der mit seinem Licht trösten kann. Zum Stern, der Orientierung bieten kann in der Nacht.
Wir denken vom Leiden Jesu und seinen Wunden nicht anders. Jesus hat nicht vergebens gelitten. Sein Leid, seine Wunden, können für uns zu Sternen werden in unserer Nacht. Dass wir getröstet werden. Dass wir den Weg weiter finden im Dunkel.


Noch einmal Georg Trakl:

Triff mich Schmerz! Die Wunde glüht.
Dieser Qual hab` ich nicht acht!
Sieh aus meinen Wunden blüht
Rätselvoll ein Stern zur Nacht!
Triff mich Tod! Ich bin vollbracht.

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